Viele Hausbesitzer träumen davon, unabhängig von fossilen Quellen und mit eigenem Strom zu leben. Doch lässt sich in Deutschland eine 100-prozentige Autarkie realisieren? Wir klären auf.
Was bedeutet Autarkie?
Der Begriff „Autarkie“ stammt aus dem altgriechischen Wort „autárkeia“, das „unabhängig“ bedeutet. Auf die energetische Bilanz eines Hauses bezogen impliziert er, dass das Haus mit Strom versorgt und beheizt werden kann, ohne auf externe Versorger und Lieferanten (Netzstrom, Heizöl, Gas, Holz/Pellets) zurückzugreifen.
In Deutschland ist ein solches Konzept schwer umzusetzen, da sowohl Photovoltaik- als auch Solarthermieanlagen im Winter nicht genug Energie liefern, um den Strom- und Wärmebedarf zu decken. Es ist allerdings möglich, die durch die Photovoltaikanlage betriebene Wärmepumpe etwa mit einem Pelletkessel oder mit einer Scheitholzheizung zu ergänzen. Reicht die Leistung der Solaranlage in den kältesten Monaten nicht aus, springt die Pelletheizung ein, um die Spitzen beim Wärmebedarf zu decken.
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Nimmt man den Begriff „Autarkie“ wortwörtlich, ist eine solche hybride Heizung nicht autark, da auch die Pellets oder die Holzscheite meist von einem Lieferanten bezogen werden. Allerdings benötigen die Besitzer keinen Vertrag mit einem Fernwärme- oder Gasanbieter. Manche sprechen daher auch in diesem Fall von Autarkie, obwohl es sich nicht um eine Autarkie in engstem Sinn handelt.
Ein unterschiedliches Konzept stellt die sogenannte bilanzielle Autarkie dar. Dabei soll lediglich die Summe der erzeugten Energie genauso groß wie die verbrauchte Energie sein. Beispielsweise erzeugt eine Photovoltaikanlage sehr viel Strom im Sommer und speist 50 Prozent davon ins Netz. Während der Wintermonate bezieht der Besitzer Netzstrom. Die Menge des verbrauchten Netzstroms ist aber gleich der Menge des im Sommer eingespeisten Stroms. Trotz einer bilanziellen Autarkie ist der Saldo für den Hausbesitzer negativ, da der Preis pro Kilowatt für Netzstrom höher als die Vergütung für PV-Anlagebesitzer ist.
Solarthermie: Im Sommer komplette Autarkie bei der Warmwasserversorgung möglich
Solarthermische Anlagen nutzen Röhren- und Flachkollektoren aus dunkel gefärbtem Spezialglas, in deren Inneren Wasser sich auf bis zu 90 Grad erwärmt. Damit lässt sich der Warmwasserbedarf eines Vier-Personen-Haushalts in den Sommermonaten schon mit 1 bis 1,5 Quadratmeter an Absorberfläche decken. Auch in den Übergangsmonaten September und April ist es bei durchschnittlichen Wetterbedingungen möglich, bis zu 70 Prozent des Warmwasserbedarfs zu decken.
Wer mit Solarthermie auch die Heizung betreiben will, ist in den Wintermonaten auf eine zusätzliche Quelle angewiesen, beispielsweise auf eine Gas- oder eine Pelletheizung. Die Solarthermieanlage dient dann als Unterstützung und liefert auch im Januar bis zu 20 Prozent der notwendigen Wärme. Als Ergänzung bietet sich beispielsweise eine Wärmepumpe, eine Holzheizung oder eine Renewable-ready Gasheizung an.
PV-Anlage plus Speicher: Bis zu 70 Prozent Autarkie
2,2 Millionen Photovoltaikanlagen waren 2022 in Deutschland installiert. Wer eine ausreichende Dachfläche und die richtige Ausrichtung hat, kann damit zumindest in den Sommermonaten einen Großteil seines Strombedarfs decken. Da der meiste Strom in den Mittagsstunden erzeugt wird, wenn die Nachfrage am geringsten ist, erhöht ein Stromspeicher sowohl Autarkiegrad als auch den Eigenverbrauchsanteil.
So reichen bei einem Stromverbrauch von 6.000 Kilowattstunden pro Jahr laut dem Unabhängigkeitsrechner der HTW Berlin 7 Kilowatt an Solarleistung und einen 10-Kilowattstunden-Speicher, um aufs Jahr gerechnet einen Autarkiegrad von 67 Prozent zu erreichen, was den Stromverbrauch. Aufgrund der niedrigen Sonneneinstrahlung zwischen Oktober und März führt selbst eine leistungsstärkere Anlage nicht zu mehr Selbstversorgung, da im Schnitt nur 20 Prozent des Jahresertrags auf das Winterhalbjahr fällt. Im Gegenteil wäre eine solche Anlage überdimensioniert und die Investitionskosten zu hoch, was zu einer langen Amortisationszeit führen würde.
Anders sieht es aus, wenn neben den normalen Verbrauchern auch E-Fahrzeuge, Klimaanlagen oder eine Wärmepumpe angeschlossen ist. Die Faustregel besagt, dass pro 1.000 Kilowattstunden verbrauchter Strom ein Kilowattpeak an Leistung und 1 bis 1,5 Kilowattstunden an Speicherkapazität installiert sein soll.
Niedrig- und Nullenergiehäuser: Geringer Heizbedarf macht den Unterschied
Da in unseren Breitengraden das Heizen für zirka 70 Prozent der Wärmeverbrauchs der privaten Haushalte verantwortlich ist, entscheidet der der bauliche Zustand des Gebäudes über den Autarkiegrad, der sich erreichen lässt.
So weist ein nach den neuesten Standards gebautes Passivhaus ein Wärmebedarf von lediglich 10 Watt pro Quadratmeter an und kommt ohne herkömmliche Heizungsanlagen aus. Der geringe Wärmebedarf wird durch passive Quellen wie Menschen, Haushausgeräte und Sonneneinstrahlung. Moderne Lüftungsanlagen mit Wärmetauschern sorgen dafür, dass die im Haushalt erzeugte Wärme nicht verloren geht, gleichzeitig entfällt wegen des stetigen Luftaustausches der Bedarf nach Fensterlüftung, die für hohe Wärmeverluste verantwortlich ist.
Hochwertig gedämmte Dächer und Fassaden minimieren die Energieverluste an der Gebäudehülle zusätzlich. Kommt auch eine Solaranlage hinzu, deckt ein solches Nullenergiehaus theoretisch seinen Energiebedarf weitgehend selbst. Praktisch haben auch solche Häuser einen Netzanschluss sowie eine Heizungsanlage, um ihren Energiebedarf in den kältesten Monaten zu decken.
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Im Vergleich dazu benötigt selbst ein sanierter Altbau bis zu 100 Watt pro Quadratmeter allein an Heizwärme. Damit scheiden Konzepte für eine komplett autarke Energieversorgung aus. Es ist aber auch hier möglich, mit einer Kombination aus Solarthermie, Photovoltaik mit Stromspeicher und Kleinwindkraftanlagen einen gewissen Grad an Selbstversorgung zu erreichen.
Biogasanlage: Ökologische Lösung für Landwirtschaftsbetriebe
Biogas entsteht in der Landwirtschaft aus organischen Abfällen wie Pflanzenresten und Gülle. Das Gemisch enthält Methan, das allerdings in über 8.000 Anlagen deutschlandweit vor allem der Stromerzeugung dient. Einige Gemeinden nutzen das Gas allerdings, um Blockheizkraftwerke zu betreiben, und erreichen damit eine 100-prozentige Energieautarkie.
Wer in der Stadt lebt, hat eine solche Möglichkeit nicht. Einige Biogasanbieter und Energiegenossenschaften versichern allerdings die Versorgung ihrer Kunden mit nachhaltigem Ökogas aus Agrarbetrieben. Für die Umwelt sind solche Verträge vorteilhaft, Autarkie erreicht man aber so nicht.
Blockheizkraftwerk: Autarkie für Strom und Wärme
Ein Blockheizkraftwerk (BHKW) erzeugt gleichzeitig Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung) (und erreicht damit einen Wirkungsgrad von bis zu 90 Prozent. Im Inneren der Anlage befindet sich je nach Modell ein Stirling-Motor, eine Gasturbine, eine Brennstoffzelle oder ein Dampfmotor. Ein Generator wandert die kinetische Energie des Motors in Strom um, während die Wärme der Abgase, die bei der Stromerzeugung entstehen, über Wärmetauscher in den Heizkreislauf fließt. Ein Pufferspeicher sorgt in der Regel dafür, dass die sie gespeichert wird, wenn keine Nachfrage besteht.
Als Brennstoffe nutzen Blockheizkraftwerke Erd- und Biogas, Pellets sowie Heiz- und Pflanzenöl. Inzwischen gibt es auf dem Markt auch Anlagen, die grünen Wasserstoff nutzen und damit nicht nur eine autarke, sondern theoretisch auch eine umweltfreundliche Energieversorgung gewährleisten. Allerdings richtet sich das Angebot bis jetzt eher an kommunale Großversorger und Gewerbebetriebe als an Privatpersonen. Zwar umfasst die Produktpalette mancher Anbieter auch Brennstoffzellen-BHKWs, die sich mit Wasserstoff betreiben lassen. Da reiner Wasserstoff jedoch teuer und schwer erhältlich ist, gewinnen diese Anlagen Wasserstoff aus Erdgas.
Im Allgemeinen sind klassische BHKW für Einfamilienhäuser überdimensioniert. Eine solche Anlage mit 15 Kilowatt Leistung erzeugt beispielsweise 75.000 Kilowattstunden Strom und um die 200 Megawattstunden an Wärme. Einen solchen Strom- und Wärmebedarf weisen etwa Krankenhäuser, öffentliche Schwimmbäder oder Produktionsbetriebe auf. In den letzten Jahren drängen jedoch immer mehr sogenannte Nano-BHKW auf dem Markt. Zu den führenden Anbieter in Deutschland zählen beispielsweise A-TRON, SenerTec, Vaillant und Viessmann. Mit einer Leistung von 1 bis 2,5 Kilowatt eignen sich solche Anlagen auch für Einfamilienhäuser. Die Kosten liegen inklusive Installation und integriertem Pufferspeicher bei zirka 20.000 bis 30.000 Euro. Wer auf einen BHKW mit Brennstoffzelle setzt, muss mit mindestens 35.000 Euro noch tiefer in die Tasche greifen.
Mit einem Nano-Blockheizkraftwerk ist es möglich, einen hohen Autarkiegrad zu erreichen. Die meisten Anlagen sind jedoch mit einem sogenannten Spitzenlastkessel ausgestattet, der auch an kalten Tagen eine ausreichende Wärmeversorgung gewährleistet. Zwar ist eine 100-prozentige Autarkie ebenfalls denkbar. In einem solchen Fall wäre der BHKW jedoch meist überdimensioniert und die Kosten zu hoch. Aus diesem Grund zieht man vor, den durchschnittlichen Bedarf zu betrachten und im Notfall auf eine zusätzliche Hilfe zurückzugreifen. Eine Abhängigkeit vom Gasversorger erreichen Hausbesitzer damit nicht. Ohnehin brauchen sie in den meisten Fällen einen Gasanschluss, um den BHKW zu betreiben.
Die Zukunft: Elektrolyseure und Wasserstoffheizungen
Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Arbeiten Brennstoffzellenheizungen mit aus Elektrolyse erzeugtem Wasserstoff, also grünem Wasserstoff, ist es möglich, komplett CO2-neutral zu heizen. Derzeit ist eine solche Konstellation schwer realisierbar: Zum einen ist Wasserstoff für Privatpersonen und Einzelhaushalte nur schwer erhältlich und sehr teuer. Zum anderen gibt es auf dem Markt kaum Heizungen, die für die direkte Einspeisung von Wasserstoff konzipiert sind. Auch Elektrolyseure, die mithilfe von Strom Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff spalten, werden nur für Industriekunden angefertigt.
Sinkt künftig der Preis für solche Anlagen, und gelingt es, kleine Elektrolyseure auch für Privatverbraucher in Serie anzufertigen sowie zu bezahlbaren Preisen anzubieten, steht einer autarken Versorgung mit einer Wasserstoffheizung nichts mehr im Wege. Darüber hinaus gehen Experten davon aus, dass in der nächsten Dekade mehr und mehr grüner Wasserstoff auf den Markt drängen wird. Somit ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine 100-prozentige Autarkie möglich ist.
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